Autor: Mag. Harald Draxl Kategorie: Zinsen Datum: 19.11.2024
Wie werden sich die Zinsen 2024 und den Folgejahren entwickeln? Seit Anfang 2022 sind die Zinssätze für variabel verzinste Wohnbaukredite deutlich angestiegen und zuletzt aber wieder gesunken. Werden weitere gesetzliche Änderungen Einfluss auf aktuelle und zukünftige Wohnbaukredite haben? Grundsätzlich können Zinsen über kurz oder lang sehr stark schwanken, und in den nächsten 2-3 Jahren sind unterschiedlichste Szenarien denkbar. Unsere Experten liefern Ihnen regelmäßig Informationen zur Entwicklung der Zinsmärkte sowie eine interessante Prognose zur weiteren möglichen Zinsentwicklung.
Zinsen werden von Banken für die Bereitstellung eines Kredites/Darlehens als Entgelt verlangt. Gut zu wissen: Verbraucher sind bei Zinsanpassungen durch den Kreditgeber besser geschützt als Unternehmer.
Es gibt zahlreiche Arten von Zinsen und alle haben ihre eigene Berechnungsgrundlage. Einige sind so simpel, dass ein Taschenrechner ausreicht, andere hingegen sind viel komplexer. Für diese Fälle gibt es zum Beispiel diverse Zinsrechner im Internet. Man kann zwischen Kredit-, Bausparvertrag- und Sparbuchzinsen unterscheiden:
Tipp: Informieren Sie sich in unserem Ratgeber, wie Sie Ihre individuelle Situation berechnen können:
Wenn Sie einen Kredit in Österreich aufnehmen, müssen Sie eine Gegenleistung erbringen. Diese wird im Kreditvertrag meist in Form eines Kreditzinses vereinbart. Kreditzinsen zahlen Sie somit als Gegenleistung für das geborgte Geld, das Sie vom Kreditgeber erhalten.
Bausparvertragszinsen
Im Gegenzug zu den Kreditzinsen erhalten Sie bei Abschluss eines Bausparvertrages die sogenannten Bausparvertragszinsen. Dabei leihen Sie einer der Bausparkassen in Österreich Geld und bekommen im Gegenzug Guthabenzinsen retour.
Sparbuchzinsen
Ähnlich wie bei den Bausparzinsen erhalten Sie bei Eröffnung eines Sparbuches Zinsen von der Bank. Hier leihen Sie der Bank Geld und bekommen dafür Zinsen.
Der EURIBOR-Zinssatz und seine Zinsentwicklung
Im Kreditbereich spricht man häufig von EURIBOR-Zinssätzen. Der EURIBOR ist ein kurzfristiger Geldmarktzins und ein Indikator, zu dem sich die Geldhäuser refinanzieren und in weiterer Folge Kreditmittel an den Endkunden oder Firmenkunden vergeben.
Unter Refinanzierung versteht man die Geldbeschaffung der Banken in Österreich, damit sie Kredite vergeben können. Es gibt unterschiedliche Quellen, bei denen sich Banken refinanzieren können. Häufig leihen sich Banken Geld von den Notenbanken wie der Europäischen Zentralbank (EZB). Kreditinstitute können sich aber auch über andere Geschäftsbanken oder Sparer refinanzieren.
Bausparkassen refinanzieren sich häufig durch Kundeneinlagen in Form von Bausparverträgen. Aber ganz gleich, woher die Refinanzierung kommt, die Kreditinstitute zahlen dafür ebenso einen Zins und haben somit dementsprechende Zinskosten. Bei der weiteren Kreditvergabe an Kunden verrechnen die Banken dann zusätzlich zu den Zinskosten einen Aufschlag (Marge). Dieser Aufschlag verbleibt bei der Bank und ist die sogenannte Zinsspanne.
Die Zinsentwicklung in Österreich seit 2023
Die Zinssituation war über viele Jahre durch äußerst niedrige Zinsen gekennzeichnet. Lange Zeit wogen sich Kreditnehmer und Immobilienbesitzer durch Null- und Negativzinsen in Europa, Japan und den USA in Sicherheit. Ab dem Jahr 2015 gab es sogar Zinsanomalien in Form von sogenannten Negativzinsen, die 2019 die langfristigen Zinsen am Markt für Zinstauschgeschäfte (EUR-Swapsätze) erreichten, ehe es 2022 damit vorbei war. Lieferkettenunterbrechungen durch Pandemie-Maßnahmen und ab 24. Februar 2022 durch den Ukrainekrieg führten zu Engpässen in der Energieversorgung und Warenknappheit, was in der Folge massive Anstiege der Inflationsraten zur Folge hatte.
Noch im Jahr 2021 lag die durchschnittliche Inflation im Euroraum bei 2,6 %, ehe diese bis Oktober 2022 auf 10,6 % anstieg, aber im Einklang mit einem Konjunkturabschwung und sinkenden Rohstoffpreisen bis Dezember 2023 wieder auf 2,9 % zurückging. Die EZB hatte als Reaktion auf hohe Inflationsraten ab Juli 2022 ihren für das Kreditgeschäft wichtigsten Leitzins mehrfach von 0,00 auf 4,50 % angehoben (Hauptrefinanzierungszinssatz, Stand zum Jahresende 2023). Entsprechend verteuerte sich der 3-Monats-Euribor, wichtigster Indikatorzins für variabel verzinste Kredite in Österreich, von minus 0,57 % Anfang Januar 2022 auf 3,91 % zum 31.12.2023 - ein Anstieg um 448 Prozentpunkte.
Laut Infina Kredit Index (IKI), einer aus zwölf Kreditinstituten bestehenden Marktstichprobe, verteuerten sich innerhalb nur eines Jahres von Anfang 2023 bis Anfang 2024 die nominalen Kreditzinsen für variabel verzinste Wohnbaukredite im Schnitt um 1,71 Prozentpunkte auf 5,10 %. Da die Zinsen am langen Ende bereits früher anstiegen, kam es 2023 wieder zu einer Kreditzinsverbilligung für zehnjährige Fixzinsbindungen in Höhe von 29,4 Basispunkte auf 3,729 %.
Neben den Leitzinssätzen spielt die aktuelle Situation der einzelnen Bank eine Rolle. Müssen Banken sich aufgrund von Bonitätsverschlechterungen teurer refinanzieren, dann werden Sie versuchen, die höheren Kosten über die Konditionen beim Neuabschluss auf Kunden abzuwälzen. Auch könnten Banken zwischen Kreditnehmern mit besseren und schwächeren Bonitäten unterscheiden und den schwächeren bei Neuabschluss deutlich höhere Zinsen verrechnen.
In Österreich bestehen seit 1. August 2022 zudem folgende Restriktionen bei der Vergabe von Immobilienkrediten an Endverbraucher:
Monatliche Kreditrate darf maximal 40 % des verfügbaren Nettohaushaltseinkommens ausmachen.
Maximale Kreditlaufzeit von 35 Jahren.
Insgesamt dürfen bei einem Kreditinstitut maximal 20 % aller Kredite eine der Obergrenzen überschreiten.
Die Folgen: Ein Anpassungsprozess, der mit höheren Ablehnungsquoten von Wohnbaukrediten verbunden ist. Finanzierungsfälle, die vor dem 1. August 2022 noch genehmigt worden wären, werden heute in vielen Fällen abgelehnt.
Tipp: Lesen Sie mehr in unserem Ratgeber zum Thema aktueller Zinssätze
Fast alle großen Zentralbanken weltweit, außer der Bank of Japan, haben mit Zinssenkungen begonnen, da die Inflation global abnimmt. In den USA zeigt sich eine "sanfte Landung" der Wirtschaft: Die jüngsten Konjunkturdaten inklusive der Arbeitsmarktdaten für Oktober 2024 deuten darauf hin, dass sich die US-Wirtschaft zwar abkühlt, aber eine Rezession vermieden wird. Nach der ersten Zinssenkung der US-Notenbank (Fed) um 0,5 Prozentpunkte im September 2024, erfolgte am 7. November 2024 ein weiterer Zinsschritt um 0,25 Prozentpunkten. Bis Ende 2024 erwarten die Märkte noch eine weitere Senkung.
Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinsen gesenkt, sogar in drei Schritten um jeweils 0,25 Prozentpunkte, zuletzt am 17. Oktober 2024: Mit Gültigkeit 23. Oktober 2024 liegen Einlagenzins und Hauptrefinanzierungssatz bei 3,25 bzw. 3,40 %. Ein Teil des niedrigeren Hauptrefinanzierungssatzes resultierte dabei aus einer Verringerung der Abstände zwischen den einzelnen Leitzinssätzen.
Für Dezember 2024 wird der nächste Zinsschritt erwartet, da EZB-Präsidentin Christine Lagarde in der Pressekonferenz zur jüngsten Leitzinssenkung verlautbarte, dass die EZB dabei ist, die Inflation in den Griff zu bekommen. Im Durchschnitt der Monate August bis Oktober 2024 erreichte die Inflationsrate mit 2 % bereits das EZB-Ziel. Allerdings verliert der Rückgang der Energiepreise an Dynamik, was bis September die Teuerung dämpfte: Somit stieg die Inflationsrate im Euroraum von 1,7 % im September auf 2 % im Oktober. Die EZB rechnet infolge dieser „Basiseffekte“ bei den Energiepreisen mit kurzfristig ansteigender Inflation, bevor sie 2025 wieder auf das Ziel von 2 % sinken soll.
Restrisiken für die Inflation
Restrisiken liegen in steigenden Nahrungsmittelpreisen, oft eine Folge des Klimawandels in Form von Ernteausfällen durch Naturkatastrophen. Auch die Preise für Dienstleistungen steigen aufgrund hoher Lohnkosten weiter (+3,9 % im September und Oktober 2024). Obwohl der Lohndruck leicht zurückgeht, bleibt die Lohninflation bei niedriger Arbeitslosigkeit ein Thema. Zudem könnten geopolitische Spannungen, wie der Ukraine-Krieg und der Nahost-Konflikt, erneute Lieferengpässe, steigende Energiepreise und höhere Transportkosten verursachen. Auch die erneute Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten birgt Inflationspotential, wobei sich ein derartiger Effekt frühestens im Laufe des Jahres 2025 zeigen kann.
Marktkonsens bezüglich Leitzinssenkungen
In den USA und im Euroraum bleibt die Zinspolitik ein Balanceakt zwischen Konjunkturstützung und Preisstabilität. Die Erwartungen gehen jedoch in Richtung Zinssenkungen, vor allem aufgrund einer mittlerweile 28-monatigen Kontraktion der Industrie im Euroraum und jüngsten Inflationsdaten. Im Euroraum wird ein Rückgang des 3-Monats-Euribor – wichtig für variabel verzinste Kredite – von aktuell etwa 3,03 % (per 11. November 2024) auf 2,75 % bis Jahresende 2024 erwartet. Diese Entwicklung wäre möglich, falls die EZB den Einlagezins und Hauptrefinanzierungssatz von derzeit 3,25 % bzw. 3,40 % wie vom Markt erwartet noch weiter senkt. Bis zur EZB-Ratssitzung am 30. Januar 2025 könnten zwei weitere Senkungen um je 0,25 % eintreten.
In den USA hat die Wahl von Donald Trump zumindest vorerst zu einer differenzierteren Betrachtung geführt. Ein wesentlicher Faktor wird nun sein, welche konkreten wirtschaftspolitische Maßnahmen die neue US-amerikanische Regierung umsetzen wird. Wird aufgrund der Maßnahmen die Inflation wieder befeuert, so würde dies wohl einen dämpfenden Einfluss auf die nächsten Zinssenkungsschritte der Fed im Jahr 2025 haben. Aktuell preisen die Zinsmärkte diese Möglichkeit jedenfalls auch ein.
Fakt ist, in einer dynamischen Zinslandschaft bietet nur eine Fixzinsbindung im Bereich Wohnbaufinanzierung Sicherheit. Sofern Sie heute eine bestehende Immobilienfinanzierung mit variabler Verzinsung haben, können Sie mit dem Kredit Entlastungsrechner die Höhe Ihrer zukünftigen monatlichen Rate simulieren, wenn die Leitzinsen weiter steigen.
Kredit Entlastungsrechner
Die Zinsen für Ihre variable Finanzierung sind deutlich gestiegen und Sie haben zunehmend Probleme sich Ihre Kreditrate noch zu leisten? Mit dem Kredit Entlastungsrechner von Infina können Sie sich anzeigen lassen, wie hoch Ihre monatliche Rate konkret bei weiteren Anstiegen des Leitzinses sein wird.
Weiterhin können Sie sehen, welchen Betrag Sie monatlich weniger bezahlen, wenn Sie auf eine neue maximale Laufzeit von 35 Jahren bei gleichzeitiger Absicherung mit einem Fixzinssatz auf 20 Jahre umstellen. Unsere Wohnbau-Finanz-Experten beraten Sie diesbezüglich gerne und helfen Ihnen, Ihre monatliche Kreditrate zu reduzieren.
Bei Immobilienfinanzierungen muss man zwischen kurzfristigen und langfristigen Zinsen unterscheiden: Bei einem langfristigen Zinssatz handelt es sich um einen Zinssatz, der über einen längeren Zeitraum (5-30 Jahre) gilt. Kurzfristige Zinssätze beziehen sich meist auf eine Laufzeit von bis zu 12 Monaten. Damit verbundene Finanzierungen gelten daher als variable Kredite und werden laufend angepasst.
Sowohl die langfristigen Kapitalmarktzinssätze (15 bis 30 Jahre) als auch die kurzfristigen Geldmarktzinssätze erreichten im Herbst 2023 ihre Hochs und entwickelten sich seither wieder rückläufig. Während sich die Geldmarktzinsen stärker an den Leitzinsen der EZB, derzeit primär am Einlagenzins, orientieren, spielen am langen Ende folgende Faktoren eine Rolle: Zins- und Inflationserwartungen, Entwicklung der Bonität von Banken und Staaten, aktuelle Inflationsdaten und Konjunkturdaten sowie die Ausgänge von Staatsanleihen-Auktionen. Diese Faktoren trieben seit Anfang 2022 in den USA und Europa die langfristigen Zinssätze nach oben.
Im Jahr 2024 wurden Wohnbaukreditzinsen wieder günstiger. Aktuell deuten die Kapitalmarktzinsen auf eine Niedrigzinsphase hin. Dies wird auch durch die Terminmarkt-Kurven für kurzfristige Zinssätze gestützt, die über die nächsten Quartale eine Fortsetzung aktueller Tendenzen einpreisen. Beispielsweise fiel der 3-Monats-Euribor seit seinem Hoch von rund 4 % auf etwa 3 % (Stand: 11. November 2024). Auch langfristige Zinsen gingen zurück: Der 20-jährige EUR-Swapsatz, der für 20-jährige Festzinsbindungen von Bedeutung ist, sank seit seinem Höchststand im Oktober 2023 bis November 2024 wieder auf rund 2,30 %.
Fixzinskredite waren für Immobilienfinanzierungskunden über viele Jahre „eine klare Sache“ und die erste Wahl. Der Zinsanstieg im Jahr 2022 warf dann allerdings die Frage auf, ob variabel verzinste Kredite nicht wieder attraktiv sind. Die niedrigen langfristigen Kapitalmarktzinsen (Stand November 2024) führen aktuell jedoch weiterhin dazu, dass variabel verzinste Immobilienkredite teurer als Wohnbaukredite mit langjährigen Fixzinssätzen sind. Zusätzlich erhält der Kreditnehmer eine langjährige Zinssicherheit.
Info:
Variable Finanzierungen an Verbrauchern müssen an einen Indikator gebunden sein, der von der Bank im Kreditvertrag zu vereinbaren ist. Gegen negative Marktentwicklungen, z. B. einen kräftigen Anstieg des Zinsindikators, kann sich ein Kreditnehmer jedoch nur durch Abschluss einer Zinsabsicherung schützen, wie zum Beispiel mit einer Fixzinsvereinbarung. Der Kreditzins wird dann auf eine Laufzeit von 5-30 Jahren fixiert.
Zinsen berechnen: Das sollten Sie wissen
Möchten Sie Ihre Zinsen selbst berechnen, kann dies unter Umständen ein schwieriges Verfahren werden: Viele Daten, die für die Berechnung nötig sind, stehen Privatpersonen vor dem ersten Gespräch mit der Bank nämlich gar nicht zur Verfügung.
Gut, dass es unseren Infina Zinsrechner gibt. Berechnen Sie kostenlos Ihre Zinsen und ersparen Sie sich damit unnötiges Kopfzerbrechen:
Die Zinsentwicklung in Europa
Die aktuell von den Notenbanken bekämpfte Inflation ist nicht aus einer starken Konjunktur, sondern aus Angebotsverknappung durch zwei externe Schockereignisse, nämlich der Corona-Pandemie und seit 24. Februar 2022 dem Ukraine-Krieg, entstanden. In der Hoffnung auf eine baldige Normalisierung der Lage hatten die Fed und EZB mit konkreten Zinsschritten lange zugewartet. Von Januar bis Juni 2022 stieg die Inflationsrate des Euroraums von 5,1 auf 8,6 %, ehe die EZB am 21. Juli 2022 ihre erste Leitzinsanhebung um 0,5 Prozentpunkte beschloss. Sie erhöhte in insgesamt zehn Schritten ihren Hauptrefinanzierungssatz von 0,00 auf 4,50 %, bevor am 06. Juni, 12. September und 17. Oktober 2024 wieder eine Absenkung auf 3,40 % erfolgte. Von Jahresanfang 2022 bis November 2024 entwickelt sich der 3-Monats-Euribor von minus 0,57 % auf rund 3 %, was in Österreich variabel verzinste Kredite erheblich verteuerte.
Seit Mitte des Jahres 2022 finden wir im Euroraum eine flache bzw. überwiegend inverse Zinskurve vor. Vereinfacht erklärt ist die Zinskurve in diesem Fall „auf den Kopf gestellt“, und langfristige Zinsen sind günstiger als kurzfristige. Bei einer inversen Zinskurve handelt es sich um eine temporär vorhandene Marktanomalie, und um ein Signal für eine schwache wirtschaftliche Entwicklung oder Rezession. Wie auch die kurzfristigen Geldmarktzinsen sind die langfristigen Kapitalmarktzinsen (Swapsätze) im Jahr 2024 gesunken, wenn auch weniger stark. Der 20-jährige EUR-Swapsatz lag zu Beginn des Jahres 2024 bei 2,5 % und Mitte November bei rund 2,3 %. Absolut gesehen, liegen die langfristigen Swapsätze aber weiterhin unter den Geldmarktzinssätzen, und das teils beträchtlich.
Stabilisiert sich das Wirtschaftsgeschehen, so sollte sich auch die Zinskurve normalisieren. In diesem Fall werden dann die langfristigen Kapitalmarktzinsen steigen. Allerdings ist es noch schwierig abzuschätzen, wann dies in Europa der Fall sein wird. Vor allem Deutschland und auch Österreich schwächeln. Mittlerweile ist die Industrie im Euroraum bereit 28 Monate in der Rezession und die Headline-Inflation fiel bis Oktober 2024 seit ihrem Hoch von 10,6 % im Oktober 2022 wieder auf 2,0 %. Auch die Kerninflation hat sich seither von 4,2 % im Oktober 2023 auf 2,7 % (Schnellschätzung) im Oktober 2024 ermäßigt. Allerdings bleiben Restrisiken seitens der Lohninflation und den Nahrungsmittelpreisen. Berücksichtigt man noch geopolitische Risikofaktoren und Unwägbarkeiten aufgrund der politischen Veränderungen in den USA, dann ist „szenarioabhängig“ innerhalb der kommenden Quartale eine zwischenzeitliche Verzögerung weiterer Leitzinssenkungen nicht auszuschließen.
Langfristige Zinsprognose: Was kann passieren?
Prognose der Zinsentwicklung bis 2026
Die US-Wirtschaft steuert auf ein "Softlanding" zu – eine Beruhigung der wirtschaftlichen Aktivität ohne Rezession. Das BIP-Wachstum lag im dritten Quartal 2024 bei 2,7 %, etwas schwächer als die 3,0 % im zweiten Quartal. Persönliche Konsumausgaben (PCE) stiegen um 3 %, Exporte um 4,5 % und Staatsausgaben um 3,4 % (vorläufige Werte). Während die verarbeitende Industrie laut ISM-Einkaufsmanagerindex schrumpft, wächst der Dienstleistungssektor. Die Stundenlöhne stiegen im Oktober um 4,0 % (im Vergleichsmonat des Vorjahres noch 4,3 %), und die von der Fed genau beobachtete PCE-Inflationsrate ohne Nahrungsmittel und Energie verharrte zwischen Juli und September bei 2,7 %. Das Inflationsziel von 2 % soll laut Entscheidungsträger der Fed bis 2026 erreicht werden.
In China plant die Regierung Maßnahmen zur Stabilisierung des Immobilienmarktes: Neben Zinssenkungen und einer Reduktion der Mindestreserven der Banken bei der Notenbank sollen Infrastrukturinvestitionen und Aufkäufe ungenutzter Liegenschaften das angestrebte Wachstum von 5 % unterstützen. Die möglichen inflationären Effekte bleiben abzuwarten.
Der Euroraum kämpft weiter mit einer Abschwächung des Dienstleistungssektors und eines Rückgangs in der Industrie. Auftragsrückgänge und Lagerabbau wirken dämpfend auf die Preise für Industriegüter, die ohne Energie nur um 0,5 % stiegen – ein disinflationärer Effekt. Das BIP-Wachstum blieb im zweiten und dritten Quartal mit 0,6 % bzw. 0,9 % moderat, während die Arbeitslosenquote im August auf ein Rekordtief von 6,3 % fiel. Ein akuter Arbeitskräftemangel bedeutet anhaltende Lohninflationsrisiken, denen jedoch die schwachen Wirtschaftsaktivitäten entgegenwirken.
Wahrscheinliche Szenarien zur Zinsentwicklung bis Ende Juni 2026
Basis-Szenario: Ein „klassischer“ Konjunkturzyklus
Die Erwartung für die mögliche Wirtschaftsentwicklung spiegelt sich gut in den Zinsfutures-Märkten und den daraus abgeleiteten Forward-Kurven wider. Bis 2026 wird ein moderates BIP-Wachstum und ein allmählicher Rückgang der Inflationsrate erwartet. Laut Infina Kreditindex, gestützt durch Aussagen von EZB-Präsidentin Christine Lagarde, schreitet der Disinflationsprozess gut voran, unterstützt durch schwächere Konjunkturdaten als erwartet. Die EZB-Volkswirte prognostizieren im Euroraum ein BIP-Wachstum von 0,8 % für 2024, 1,3 % für 2025 und 1,5 % für 2026. Die Inflation soll von 2,5 % im Jahr 2024 auf 2,2 % im Jahr 2025 sinken und 2026 mit 1,9 % sogar unter das EZB-Ziel fallen.
Die Forward-Kurve im 3-Monats-Euribor signalisiert ein Zinstief von rund 2 % im Herbst 2025, bevor wieder ein Anstieg auf etwa 2,2 % bis Mitte 2026 erwartet wird (Stand 11.11.2024). Unter Berücksichtigung dieser Markterwartungen könnten bis zur EZB-Sitzung am 24. Juli 2025 Einlagenzins und Hauptrefinanzierungssatz auf 2,15 % bzw. 2,30 % sinken und voraussichtlich bis Herbst 2026 stabil bleiben.
Alternative Szenarien
Prognosen basieren immer auf aktuellen Trends, doch unvorhersehbare Ereignisse – wie 9/11, eine Pandemie oder der Ukraine-Krieg – können die Wirtschaft und Zinsen erheblich beeinflussen.
Aktuell denkbare Risiken für höhere Inflationsraten und eine Verzögerung oder Begrenzung von Zinssenkungen wären eine Lohn-Preis-Spirale im Euroraum, ein Wirtschaftsboom in China oder geopolitische Energiepreisschocks. Eine Lohn-Preis-Spirale könnte entstehen, wenn starkes Wachstum in den USA, ein neuer Aufschwung in China und anderen asiatischen Volkswirtschaften den Preisdruck erhöhen. Sollte Chinas Wirtschaft stark anziehen, könnte dies die Nachfrage nach Energie und Rohstoffen steigern und damit die Preise treiben. Geopolitische Spannungen – wie in Russland/Ukraine, Nahost oder China/Taiwan – könnten ebenfalls unvorhersehbare inflationäre oder rezessive Effekte auslösen.
EZB-Prognose zur Zinsentwicklung
EZB-Präsidentin, Christine Lagarde, wird in jeder Pressekonferenz nach einer EZB-Ratssitzung über ihre Einschätzung der zukünftigen Zinsentwicklung gefragt. Ihre Standardantwort lautet:
„Wir sind entschlossen, für eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zu unserem mittelfristigen Ziel von 2 % zu sorgen. Wir werden die Leitzinsen so lange wie erforderlich ausreichend restriktiv halten, um dieses Ziel zu erreichen. Die Festlegung der angemessenen Höhe und Dauer des restriktiven Niveaus wird auch in Zukunft von der Datenlage abhängen und von Sitzung zu Sitzung erfolgen. Unsere Zinsbeschlüsse werden vor allem auf unserer Beurteilung der Inflationsaussichten vor dem Hintergrund aktueller Wirtschafts- und Finanzdaten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation sowie der Stärke der geldpolitischen Transmission basieren. Wir legen uns nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest“
Conclusio: Konkrete Zinsprognosen der EZB existieren nicht. Prognosen zur weiteren Leitzinsentwicklung werden nur von unabhängigen Analysten erstellt. Was es allerdings gibt und intuitiv auch ein mögliches Zinsszenario vermittelt, sind regelmäßige Inflations- und Wachstumsprognosen, die in diesem Ratgeber auch verarbeitet wurden.
Die Zinsentwicklung in den nächsten 20 Jahren
Es können keine Prognosen über Zinsentwicklungen der nächsten 10 bis 20 Jahre aufgestellt werden. Die Kapitalmärkte sind viel zu dynamisch. Schon kleinere Krisen können Prognosen über Nacht komplett widerlegen. In den letzten 50 Jahren hat es im Schnitt alle 7-8 Jahre eine merkliche Krisensituation an den Weltfinanzmärkten gegeben. Die letzten Wirtschaftskrisen waren die Finanzkrise 2008/09 und die Pandemie 2020 bis 2022, die vom Ukrainekrieg und Inflations- und Zinsschock-Szenario 2022/23 abgelöst wurde. Mit dem abflauenden Inflationsszenario werden aktuell die Karten wieder neu gemischt.
Baufinanzierung: Mögliche Zinsprognosen
In den USA und Europa rechnen die Märkte mit weiteren Leitzinssenkungen, unterstützt durch Anzeichen der nachlassenden Inflation. Dennoch bestehen Restrisiken, die zu einer Verzögerung oder im schlimmsten Fall einem Ausbleiben des erwarteten Zinsszenarios führen könnten.
Für Österreich bedeutet dies voraussichtlich eine Vergünstigung variabel verzinster Kredite, sobald die Leitzinssenkungen eintreten und am Geldmarkt wirken. Bei langjährigen Fixzinsbindungen könnte der aktuell bestehende Zinsvorteil jedoch ab Sommer 2026 verschwinden. Abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung und vor allem den Erwartungen der Märkte ist es denkbar, dass die Zinsen für 20-jährige Fixzinsbindungen dann auch wieder höher als für variabel verzinste Kredite liegen.
Auf der Bankenseite liegen potenzielle Risiken im Fall von Marktstress (beispielsweise wenn eine Großbank insolvent wird) in höheren Risikoaufschlägen und Liquiditätskosten, die neu abgeschlossene Wohnbaukredite verteuern könnten. Auch die Zinsspreads zwischen schlechten und guten Bonitäten können sich in kritischen Szenarien ausweiten. Letztlich dürfte künftig auch die Einhaltung von ESG-Kriterien bei der Kreditvergabe die Zinsen vergünstigen oder verteuern.
Die Finanzierungskonditionen ändern sich, im Einklang mit volatilen Zinssätzen am Markt, laufend. Das macht den Kreditmarkt komplexer und Prognosen schwieriger. Die Wohnbau-Finanz-Experten von Infina informieren Sie aber gerne im Detail hierzu.
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Bildquellen: Roman Samborskyi/ Shutterstock.com, Mabeline72/ Shutterstock.com Rechtshinweise zu unseren Ratgebern finden Sie in unserer Verbraucherschutzinformation.
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Über den Autor: Mag. Harald Draxl Position: Geschäftsführer
Meine Kreditkompetenz habe ich 1995 durch die Leitung des Gewerbekunden-Centers bei der Creditanstalt AG und seit 1997 als Baufinanzierungs-Spezialist bei der CA Baufinanzierungs-Beratung GmbH aufgebaut. Im Jahr 2002 wurde ich Gesellschafter bei der Infina und ab November 2004 in die Geschäftsführung berufen. Meine Zuständigkeit ist seither die Leitung unseres Vertriebes und der Banken-Kooperationen. Ich beschäftige mich tagtäglich mit den Entwicklungen am österreichischen Kredit- und Immobilienmarkt, um unsere gesamte Vertriebsorganisation stets über die besten Produkte und aktuellen Zinssätze für die Kundenberatungen auf dem Laufenden zu halten.
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