In der Regel benötigen Sie 20 Prozent bis zu einem Drittel des Kaufpreises an Eigenmitteln, damit Sie von der Bank oder Bausparkasse einen Immobilienkredit in Österreich bekommen. In ganz wenigen Ausnahmefällen gewährt Ihnen das Kreditinstitut aber auch ohne Eigenkapital das Geld für den Immobilienkauf. Dieser Beitrag zeigt, wie eine derartige Haus-Vollfinanzierung möglich ist und wo die Grenzen der Kreditinstitute liegen.
Haus-Vollfinanzierung: Das Wichtigste im Überblick
Eine Haus-Vollfinanzierung ist ein Immobilienkauf in Österreich vollständig auf Kredit. Im Extremfall werden auch die anfallenden Nebenkosten von der Bank finanziert.
Sind Sie beispielsweise ein junger Arzt am Beginn der Karriere und bekommen ein sehr gutes Gehalt, dann könnte diese Finanzierungsvariante für Sie infrage kommen, sofern die aktuellen Zinskonditionen passen.
Besitzen Sie mehrere unbelastete Liegenschaften, können Sie mittels Simultanhypothek höhere Sicherheiten einbringen und somit eine „Zinskeule“ verhindern.
Eine noch bessere Ausgangssituation haben z. B. wohlhabende Besitzer mehrerer Mietshäuser oder Großindustrielle. Für diese wäre ein solcher Finanzierungsschritt nichts anderes als eine Finanzoptimierung.
Für Durchschnittsverdiener hingegen könnte eine solche Haus-Vollfinanzierung den Ruin bedeuten, vor allem dann, wenn für den Kredit variable Zinsen vereinbart werden und die Kreditzinsen anschließend nachhaltig steigen.
Video Vollfinanzierung: Immobilienkauf ohne Eigenkapital?
Was genau bedeutet Vollfinanzierung? (inkl. Video)
Bei einer Vollfinanzierung finanziert Ihnen die Bank zumindest den gesamten Kaufpreis einer Liegenschaft (Haus oder Wohnung). Zu unterscheiden ist dabei zwischen einer 100-Prozent-Finanzierung und 110-Prozent-Finanzierung:
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110-Prozent-Finanzierung: Der Begriff „110-Prozent-Finanzierung“ bedeutet, dass sogar die Nebenkosten des Immobilienkaufs auf Kredit finanziert werden. Während dem Kaufpreis noch der Immobilienwert entgegensteht, wäre eine Nebenkostenfinanzierung schlichtweg eine „Blankofinanzierung“ ohne Deckung: Die Bank hätte dafür keine Besicherung. Diese Praktik wird aber immer seltener, da hier die Regulatoren, sprich die FMA (Finanzmarktaufsicht Österreich), einen Riegel vorschieben.
Beachten Sie: Auch wenn die Bank den Immobilienkauf ohne Eigenmittel finanzieren würde, ist das trotzdem nicht unbedingt empfehlenswert: Denn die Kreditzinsen können entsprechend teurer werden als bei einer Finanzierung mit Eigenmittelanteil. Zudem hat die FMA mit Wirkung zum 01.08.2022 (und befristet bis 30.06.2025) Mindeststandards für die Vergabe von Wohnbaukrediten zu erlassen (weiterführende Informationen, siehe Neues Gesetz: 20 % Eigenmittel für Wohnkredite). Vorgeschrieben sind ein Mindestanteil an Eigenmitteln von 20 %, eine Kreditlaufzeit von maximal 35 Jahren sowie ein Schuldendienst von maximal 40 % des verfügbaren monatlichen Nettoeinkommens. Zwar wurden fest definierte Ausnahmekontingente für die Kreditinstitute festgelegt, welche im Sommer 2024 auch in der Administration nochmals vereinfacht wurden. Explizit für eine Vollfinanzierung sind die Chancen dadurch aber erheblich gesunken.
Vollfinanzierung oder doch lieber warten und einen Teil mit Eigenmitteln finanzieren? Mit Hilfe des Infina-Kreditrechners können Sie die möglichen Finanzierungsalternativen durchkalkulieren. Unsere Wohnbau-Finanz-Experten von Infina unterstützen Sie beim Kreditvergleich.
Voraussetzungen für den Immobilienkredit mit Vollfinanzierung
Sofern Hausordnung und Geschäftspolitik der Bank einen Immobilienkredit mit Vollfinanzierung überhaupt zulassen, dann sind dafür folgende Voraussetzungen erforderlich:
Erstklassige Bonität: Diese äußert sich in entsprechend hohen Einkünften, mit denen der betreffende „zusätzliche“ Kredit binnen weniger Jahre zurückgezahlt werden könnte. Das ist z. B. bei wohlhabenden Mietshausbesitzern der Fall.
Simultanhypotheken: Dabei handelt es sich um unbelastete Liegenschaften, auf welche die Bank dann Pfandrechte in Österreich im ersten Rang eintragen kann – auch das kann Erbringung von Eigenmitteln ersparen.
Akzeptanz hoher Zinsen: Sofern die nachhaltige Rückzahlung durch das laufende Einkommen sichergestellt ist, können bei ganz wenigen Banken auch Kunden mit normalen Einkommens- und Vermögensverhältnisses eine Immobilienfinanzierung mit Vollfinanzierung in Anspruch nehmen. Der Preis sind allerdings höhere Zinsen.
Welche Bank bietet die Vollfinanzierung beim Hauskauf?
Theoretisch kann jedes Kreditinstitut dafür infrage kommen, sofern dessen Kreditvergabepolitik dies zulässt. Bei gegebenen Voraussetzungen – also erstklassiger Bonität oder zumindest Simultanhypothek auf einer weiteren unbelasteten Liegenschaft – kann in Ausnahmefällen eine Vollfinanzierung beim Hauskauf möglich sein. Dies werden die betreffenden Banken auf Anfrage auch fallweise prüfen.
Für wen eignet sich eine Wohnungs- oder Haus-Vollfinanzierung?
Eindeutig lässt sich sagen: Eine Vollfinanzierung eignet sich nicht für junge Familien mit knappem Budget, denn diese könnten die erhebliche Zinsbelastung nicht stemmen. Eine bessere Alternative für junge Familien mit wenig Eigenmitteln wären z. B. Unterstützungen durch Bürgschaften von Angehörigen oder Ersatzsicherheiten.
Wirklich geeignet ist eine Vollfinanzierung für alle Kreditnehmer, die aus einer Position der finanziellen Stärke heraus agieren und den Kredit eigentlich gar nicht benötigen würden. Dazu zählen:
Wohlhabende Privatpersonen, deren Einkommen als hoch und sicher gilt: etwa Ärzte, Rechtsanwälte, renommierte Steuerberater, Top-Manager, höhere Beamte.
Als Grenzfälle sind Erben von Immobilien einzustufen, die übersiedeln und bei durchschnittlichem bis leicht überdurchschnittlichem Einkommen anstatt Eigenmitteln eine Simultanhypothek anbieten. Für diese besteht – ähnlich wie bei den jungen Familien – die Gefahr zu hoher Zinsen.
Exkurs: Ebenso Familienstiftungen, die kaum verschuldet sind und nun mittels kleinem Leverage „etwas Dynamik“ ins Portfolio bringen möchten. Zu diesem Zweck kaufen sie Objekte vollständig auf Kredit und Banken werden dabei keine größeren Sorgen haben.
Vorteile einer Haus-Vollfinanzierung
Die Vorteile hängen von der Person oder Stiftung ab, die eine Wohnungs- bzw. Haus-Vollfinanzierung in Anspruch nimmt:
Privatpersonen oder Stiftungen mit erstklassiger Bonität: Hier ist das Ganze eine Finanzoptimierung, um beispielsweise bei Anlageimmobilien noch einen kleinen Leverage-Effekt zu nützen.
Wohlhabenden Privatpersonen: Hier geht es um einen liquiditätsschonenden Kauf, da die liquiden Mittel beispielsweise ertragreich an anderer Stelle veranlagt werden können.
Bei Käufern mit geringem Einkommen und ohne Eigenmittel besteht in manchen Fällen der Wunsch, so schnell wie möglich Wohneigentum schaffen, ohne zuvor die erforderlichen Mittel anzusparen. Doch häufig wird vermutlich keine Vollfinanzierung für den Hauskauf möglich sein. Auch zum Schutz der Kreditnehmer selbst ist eine vorherige Ansparphase anzuraten.
Risiken einer Haus-Vollfinanzierung ohne Eigenkapital
Für Durchschnittsverdiener liegt das größte Risiko in Phasen des Verdienstausfalls, etwa bei Arbeitslosigkeit oder längerer Krankheit. Ohne flexible tilgungsfreie Zeiten im Kreditvertrag bei der Immobilienfinanzierung kann es schnell zu finanziellen Engpässen kommen. Eine (Zwangs-)Versteigerung der Immobilie könnte die Folge sein. Deshalb sollte in solchen Fällen schon ein „Notgroschen“ in Form von mindestens 10.000 bis 15.000 Euro vorhanden sein.
Im Falle eines variabel verzinsten Kredites kommt noch ein Zinsänderungsrisiko auf eine längere Laufzeit hinzu. Sollte der Referenzzins (siehe hierzu Leitzins) steigen, würde auch die monatliche Kreditrate steigen. Dies erhöht nochmals die ohnehin schon hohe monatliche Zinsbelastung einer Haus-Vollfinanzierung.
Tipp: Risikoabsicherung beim Hauskauf
Mit einer entsprechenden Versicherung können Sie sich in Österreich gegen maßgebliche Risiken wie Ableben, Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit schützen. Weitere Informationen finden Sie in unserem Ratgeber Kreditversicherung: Welche gibt es und was ist sinnvoll?
Tipps für die Vollfinanzierung: Darauf sollten Sie achten
Wer folgende Punkte beachtet, erspart sich viel Ärger und Sorgen bei der Vollfinanzierung des Hauses oder der Wohnung:
Fixzinsvereinbarungen Die Vereinbarung von Fixzinsen über 15 bis 20 Jahre schalten Zinsrisiken längerfristig aus und machen den Kredit kalkulierbar.
Nachhaltige Leistbarkeit sollte gegeben sein Dies wird von den Banken im Zuge gesetzlicher Anforderungen geprüft. Die fiktive Kreditrate, die zu einem höheren Zinssatz als dem aktuellen kalkuliert wird (meist 6 bis 8 %), sollte maximal 40 % des Nettoeinkommens ausmachen. Außerdem sollten Sie noch einen Notgroschen für mögliche Zeiten einer Arbeitslosigkeit auf der Seite haben.
Möglichst lange Laufzeiten Je länger die Kreditlaufzeit ist, desto niedriger wird die monatliche Ratenbelastung. Allerdings muss hier die Bank zustimmen. 30 bis 35 Jahre Laufzeit sollten möglich sein.
Auf Zinsen achten Wer eine Top-Bonität hat, wird auch bei einer Vollfinanzierung noch mit relativ günstigen Konditionen rechnen dürfen. Für Durchschnittsverdiener kann es hingegen sehr teuer werden.
Flexible tilgungsfreie Zeiten vereinbaren Niemand kann die Zukunft vorhersagen, aber Sie können sich gegen negative Ereignisse absichern. Mit Infina finden Sie die richtige Bank, bei der Sie vertraglich vereinbaren können, in schwierigen Zeiten auch eine vorübergehende Tilgungspause einzulegen (zum Beispiel für 2 Jahre über die gesamte Laufzeit).
Wie hoch sind die Zinsen bei einem Immobilienkredit mit Vollfinanzierung?
Wenn Sie über keinen außerordentlichen finanziellen Hintergrund verfügen können Sie in etwa mit einem knapp 1 % höheren Zinssatz rechnen, wenn Sie anstelle einer Belehnung von beispielsweise 70 % eine Vollfinanzierung suchen. Bei einer Belehnung von 110 % in etwa mit 1,5 % höheren Zinsen. Da dies stark von Ihrer Bonität und der Entwicklung der Zinsmärkte abhängt, kann dies nur eine Indikation zu einer möglichen Größenordnung sein.
Rechenbeispiel: Finanzierungen im Vergleich
Anhand eines Rechenbeispiels können Sie nachvollziehen, wie die monatliche Ratemit zunehmendem Anteil an Fremdkapital und damit höherem Sollzinssatz deutlich größer wird.
Beispiel:
Finanziert werden soll ein Haus zum Kaufpreis von 350.000 Euro (Nebenkosten: 31.850,00 Euro). Fixzinssatz für 15 Jahre mit folgenden Konditionen (Stand 17.09.2024):
Bis 70 % Belehnung: 3,30 % Nominalzins
Bis 90 % Belehnung: 3,55 % Nominalzins
Bis 100 % Belehnung: 4,00 % Nominalzins
Fall 1: Nebenkosten und 30 % des Kaufpreises werden aus Eigenmitteln abgedeckt
Fall 2: Der Kaufpreis wird zu 100 % finanziert, Nebenkosten aus Eigenmitteln gezahlt
Finanzbedarf: 350.000 Euro
Laufzeit: 30 Jahre
Nominalzins: 3,55 %
Effektive Rate: 1.529,99 Euro
Effektivzins: 3,42 %
Fall 3: Der gesamte Kaufpreis und die Nebenkosten werden auf Kredit finanziert
Finanzbedarf: 385.000 Euro
Laufzeit: 30 Jahre
Nominalzins: 4,00 %
Effektive Rate: 1.850,75 Euro
Effektivzins: 4,20 %
Fazit: Mit den empfohlenen 30 % des Kaufpreises an Eigenmitteln zahlen Sie im Beispiel in Pauschalratenform während der ersten 15 Jahre Fixzinsbindung 1.230,24 Euro monatlich. Bei einer 100-Prozent-Finanzierung liegt Ihre monatliche Belastung schon um ca. 676 Euro höher. Wenn Sie sogar noch die 10 % Nebenkosten des Kaufes mitfinanzieren, müssen Sie monatlich eine Kreditrate von 2.240,92 Euro stemmen. Dieses Beispiel zeigt deutlich, wie stark Ihre monatliche Belastung ohne Eigenkapital ansteigt.
Wichtig: Vollfinanzierungen oder Finanzierungen über 100 % des Kaufpreises sind aufgrund der neuen KIM-V nur mehr dann möglich, wenn Sie über eine zusätzliche Besicherung in Form einer weiteren Immobilie verfügen und über ein entsprechend hohes Einkommen verfügen. Dieses muss ausreichen, um die Schuldendienstquote von 40 % Ihres Monats-Nettoeinkommens nicht zu überschreiten (laut KIM-V, welche allerdings zum 30.06.2025 ausläuft).
Ob Wohnung oder Haus: Vollfinanzierung beim Kauf bleibt ein Risiko
Für einen Durchschnittsverdiener ist eine Vollfinanzierung in aller Regel nicht attraktiv. Und selbst wenn die Bank eine solche Finanzierung genehmigt, müssen Sie mit deutlich höheren Kreditzinsen rechnen. Vor allem bei einem Konditionsauslauf (Beleihungsgrad) über 100 % steigen die Zinskosten erneut deutlich. Es wird immer wieder besondere Fälle geben, in welchen eine Vollfinanzierung sinnvoll sein kann, da zukünftig eine deutlich andere finanzielle Situation erwartet wird. Dies wird aber eher die Ausnahmesituation sein.
Über den Autor: Mag. Elfi Stampfl Position: Prokuristin
Meine Expertise im Bereich der Organisation und Ausbildung habe ich als Verwaltungsleiterin einer großen Genossenschaft in Südtirol erworben. Die Zusammenarbeit mit landwirtschaftlichen Unternehmen war für mich die beste Schule des Lebens. Seit 2013 leite ich das Finanzierungsservice der Infina. Mein hohes Qualitätsverständnis führte zur Gründung der Infina Academy, da es mein Anspruch ist, dass unsere Wohnbau-Finanz-Experten dazu befähigt sind, die beste Finanzierungsberatung in ganz Österreich anzubieten. Zudem ist mir wichtig, unsere Kunden über die aktuelle Zinsentwicklung zu informieren. Für mich persönlich sind Ehrlichkeit und die Bereitschaft für den Kunden alles zu tun das höchste Gebot.
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