Factoring: Die Vorfinanzierung von Kundenforderungen

Autor: Redaktion
Kategorie: Corporate Finance
Datum: 12.06.2024

Factoring dient der revolvierenden Refinanzierung von Kundenforderungen als Teil des Working Capital Managements. Factoring ist eine noch relativ junge Finanzdienstleistung mit steigendem Marktwachstum in Österreich (+51 % in den letzten 5 Jahren). Durch den Verkauf Ihrer gewerblichen Kundenforderungen an eine Factoring-Gesellschaft („Factor“) können diese sofort zu Geld gemacht werden und so die eigene Liquidität gestärkt bzw. anderweitige Kreditrahmen entlastet werden. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen echtem Factoring (mit Übergang des Ausfalls- bzw. Delkredererisikos auf den Factor) und unechtem Factoring, das zwar die Liquidität verbessert, aber das Ausfallsrisiko der Kundenforderung beim Unternehmen verbleibt.


Factoring: Das Wichtigste im Überblick

  • Vorfinanzierung von gewerblichen Kundenforderungen
  • Laufzeitkongruente Finanzierung, die sich dem Umsatzverlauf anpasst
  • Stärkung der Liquidität durch sofortige Wandlung der Forderung in Geld
  • Auszahlungsbeträge zwischen 80 und 90% der Forderungen in Abhängigkeit der durchschnittlichen Abnehmerbonität und Branche
  • Restliche Differenz wird nach Eingang der Kundenforderung beim Factor gutgeschrieben
  • Stärkt die Liquidität und reduziert dadurch andere Kreditrahmen bzw. Überziehungen und schafft finanziellen Spielraum
  • Factor kümmert sich im Rahmen von zusätzlichen Services eventuell auch um das Debitorenmanagement
  • Bei echtem Factoring trägt der Factor das Ausfallsrisiko der Kundenforderungen
  • Damit wird bei echtem Factoring unter bestimmten Voraussetzungen die Bilanzsumme verkürzt und die Eigenkapitalquote gestärkt
  • Bei unechtem Factoring verbleibt das Ausfallsrisiko bei Ihnen und die Forderungen bleiben in der Bilanz stehen

Definition: Was ist Factoring genau?

Sie „verkaufen“ Ihre Forderungen gegenüber gewerblichen Kunden echt oder unecht, d.h. mit oder ohne Ausfallsrisiko an eine spezialisierte Factoring-Gesellschaft. Je besser Ihre Bonität und die Bonität Ihres Kunden- bzw. Forderungsportfolios sind, desto besser werden am Ende Ihre Finanzierungskonditionen ausfallen. Durch den zielgerichteten Einsatz von Factoring können Sie Forderungen sehr schnell zu Geld machen und sich damit kurzfristig finanziellen Freiraum im Working Capital für weiteres Wachstum schaffen.


Der Ablauf beim Factoring

Beim Factoring steht am Beginn eine Analyse Ihrer gesamten Finanzierungssituation und insbesondere die Prüfung Ihrer Liquidität und Betriebsmittelrahmen bzw. Kontokorrentkredite. Durch den Verkauf und die im ersten Schritt teilweise Auszahlung von 80-90% der Forderungshöhe stärken Sie die liquiden Mittel in Ihrer Bilanz oder reduzieren die offenen Kreditsalden. Bei echtem Factoring verbessert sich darüber hinaus in der Regel auch Ihre Bilanzstruktur.

Das Grundprinzip basiert auf dem Factoring Dreieck:

Die konkreten Abläufe sind wie folgt:

1.) Grundlage des Geschäfts sind rechtsgültig vorhandene Kundenforderungen aus voll erbrachten Warenlieferungen oder Leistungen (keine Teilausführungen).

2.) Forderungsanalyse: in der Regel analysiert ein Factor das Forderungsportfolio im Vorfeld genau und achtet auf die Bonität der Abnehmer, überfällige Forderungen, bestehende Forderungsversicherungen, Wertberichtigungen oder mögliche Einreden der Kunden aus dem Grundgeschäft.

3.) Finanzierungsvertrag: Der Factor schließt mit seinen Kunden einen Rahmenvertrag, unter welchem er die Forderungen – mit oder ohne Delkredererisiko – mit einer gewissen Quote und bis zu einem gewissen Gesamtbetrag zu bestimmten Konditionen (Zinsen und Gebühren) ankauft.

4) Der Kunden erbringt seine Lieferungen und Leistungen wie üblich und legt die Rechnungen wiederum an seine Kunden unter Angabe der mit dem Factor abgestimmten Kontoverbindung. Je nachdem, ob das Factoring offen oder still erfolgt, wird in der Rechnung auf das Factoring hingewiesen.

5.) Der Ankauf erfolgt innerhalb der Bedingungen des Finanzierungsvertrages, wobei der Factor anfänglich die aktuell offenen Posten (OP-Bestand) ankauft und später innerhalb des Rahmens revolvierend - d.h. laufend mit Entstehen neuer Forderungen – weiterkauft. Die jeweilige Rechnungsübermittlung erfolgt im Normalfall automatisiert über elektronische Schnittstellen.

6) Der Factor prüft die übermittelten Rechnungen und zahlt die Quote von 80-90% innerhalb kurzer Fristen aus.

7) Wenn er auch das Delkredere Risiko übernimmt, dann kann der Kunde auch seine Forderungen ausbuchen, womit sich die Bilanzstruktur verbessert. Ansonsten verbleibt die Forderung in den Büchern und es wird parallel bis zum definitiven Eingang der Forderung beim Factor eine entsprechende Verbindlichkeit dagegen gebucht.

8) Nach Eingang der Kundenforderung beim Factor erhalten Sie die Differenz von 10-20% überwiesen und können die (Rest)Forderungen in jedem Fall ausbuchen.


Beispiel: So funktioniert Factoring

Sie haben eine Handelskette für Haustierbedarf und liefern die Produkte an den Einzelhandel mit langen Zahlungszielen. Das Geschäft wächst sehr schnell und Sie haben im Einkauf weiteren Vorfinanzierungsbedarf um auch die Lieferantenskonti in Anspruch nehmen zu können. Ihr Kontokorrentrahmen reicht für das Wachstum nicht mehr aus.

Sie vereinbaren im Rahmen eines Factoring-Vertrages den revolvierenden Verkauf von rechtsgültigen Kundenforderungen guter Bonität über bis zu EUR 500.000,0, um diese kurzfristig zu Geld zu machen.

Dafür erhalten Sie im ersten Schritt eine Auszahlungsquote von 80% bzw. EUR 400.000,0 und können mit laufendem Eingang der Forderungen beim Factor stets neue Forderungen einreichen. Mit der gewonnen Liquidität können Sie das Wachstum Ihres Geschäftes bzw. ihr gestiegenes Umlaufvermögen finanzieren.


Vor- und Nachteile von Factoring

Factoring ist kein „Wundermittel“ zur generellen Liquiditäts- bzw. Ertragsstärkung, aber es ist eine einfache und praktische Alternative, um Unternehmensphasen angespannter Liquidität wie z.B. starkem Wachstum oder kurzfristigen Belastungen auf der Kostenseite zu begegnen.

Vorteile:

  • Stärkung der Liquidität und Entlastung von Betriebsmittelkreditrahmen oder Abdeckung von Überziehungen
  • Damit verbundene Nutzung von Skonti durch schnellere Zahlung von Lieferanten auf der anderen Seite
  • Wegfall des Ausfallsrisikos und damit verbesserte Darstellung der Bilanzstruktur bei echtem Factoring
  • Gewisse Ergänzung bzw. Unabhängigkeit von der eigenen Bonität, sofern die Bonität der angekauften Forderungsschuldner gut ist
  • Professionelles Debitorenmanagement von Fälligkeiten durch Factor mit Know How rund um Mahnwesen und Forderungsversicherungen
  • Gewährung von Zahlungszielen an Lieferanten ohne direkte Liquiditätsauswirkungen auf den eigenen Betrieb
  • Unabhängigkeit von Banken bzw. Schaffung von Spielraum für neue Kreditrahmen bei Banken
  • Laufend an die Umsatz- bzw. Geschäftsentwicklung angepasster Finanzierungsrahmen durch revolvierenden Charakter bzw. laufende Rechnungseinreichung

Nachteile:

  • Relativ hohe Gesamtkosten aus Factoringgebühren und Zinssatz
  • Häufig Beschränkung auf bonitätsstarke Kreditnehmer oder Forderungsportfolios
  • Oft recht langwierige Umsetzung der Verträge bzw. der Ankaufsprozesse bis die Abwicklung rund läuft
  • Teilweises Zessions- bzw. Abtretungsverbot seitens der Forderungsschuldner, womit die Forderungen nicht mittels echtem Factoring angekauft werden können

Für welche Unternehmen eignet sich Factoring?

Wenn Sie schnell wachsen oder im Working Capital Management mehr finanziellen Spielraum benötigen, z.B. für die Ausnutzung von Lieferantenskonti, die Gewinnung neuer Großaufträge, der Gewährung längerer Zahlungsziele oder einfach nur die bestehenden Kontokorrentkredite entlasten möchten, dann ist Factoring eine sehr interessante Option.

Gerade stark exportorientierte Unternehmen nutzen vielfach Factoring Lösungen gemeinsam mit Warenkreditversicherungen und dem Service eines professionellen Debitorenmanagements.

Vielfach stellt es auch eine interessante Finanzierungsalternative für jene Unternehmen dar, deren Bonität selbst nur mittelmäßig ist, deren Abnehmer (und damit deren Forderungen) aber höhere Bonitäten aufweisen. Dadurch kann man sich bessere Bonität der eigenen Kunden zu Nutze machen und darüber indirekt Kreditlinien erweitern und manchmal auch vergünstigen.


Factoring Anbieter

In Österreich und Deutschland gibt es zahlreiche Anbieter von Factoring. Es handelt sich dabei aus der Vergangenheit primär um Tochtergesellschaften von großen Kreditinstituten, jüngst kommen aber verstärkt auch unabhängige Finanzdienstleister dazu.

Der heimische Factoringmarkt weist laut Angaben des Österreichischen Factoring Verbandes im Jahr 2023 ein Marktvolumen an angekauften Forderungen von 36,5 Mrd. EUR auf. Damit ist dieser Markt in den vergangenen 5 Jahren um in Summe 51 % gewachsen.

Weitere Informationen rund um Anbieter, Markt und Funktionsweise von Factoring stellt der Österreichische Factoring Verband unter https://www.factoring-verband.at/ zur Verfügung.


Factoring in der Bilanzierung

Entscheidend für die Bilanzierung von Factoring ist der Unterschied zwischen dem sog. „echten“ und „unechten“ Factoring.

Während beim unechten Factoring die Forderungen ohne Übernahme des Ausfalls- bzw. Delkredererisikos vom Factor angekauft werden, übernimmt der Factor beim echten Factoring auch dieses Risiko.

Unechtes Factoring stellt damit eine reine Liquiditätsbevorschussung inkl. Debitorenmanagement bzw. dem Inkassoservice durch den Factor dar. Für die bevorschusste Liquidität ist damit eine entsprechende Verbindlichkeit einzubuchen, während die Kundenforderungen weiter in der Bilanz bleiben.

Beim echten Factoring übernimmt bzw. kauft der Factor die Forderungen voll und ganz, d.h. inkl. dem Risiko, dass der Abnehmer nicht zahlen kann und die Forderung uneinbringlich wird. Daher findet für das Ausmaß der bevorschussten Quote im Prinzip ein Aktivtausch statt. Die Forderung kann vom Unternehmen ausgebucht werden, während es im Gegenzug liquide Mittel dafür erhält. Hinsichtlich der Differenz zwischen vollem Forderungsbetrag und der bevorschussten Quote kommt es auf die Bedingungen des Factoringvertrages an.

Trägt der Unternehmer für die Differenz zur ausbezahlten Quote das Risiko in Form eines „Selbstbehaltes“, verbleibt auch dieser Teil der Forderung in seinen Büchern, andernfalls könnte er es als eine Forderung an den Factor ausweisen.


Exkurs Reverse Factoring: Die Vorfinanzierung von Verbindlichkeiten

Lieferanten haben keine Freude an einer Verlängerung der Zahlungsfristen und Skonti können nur bei schneller Rechnungsbegleichung genutzt werden.

Um sich hier Luft zu verschaffen könnte Reverse Factoring ein möglicher Weg sein „den Spieß umzudrehen“. Dabei lassen Sie Zahlungen an Lieferanten vorfinanzieren und können so die Vorteile von Frühzahlern nutzen.

Beim Reverse Factoring werden Ihre Einkäufe bei Lieferanten durch einen Factor vorfinanziert. Hier kommt es – anders als beim klassischen Factoring – nur auf die Bonität Ihres Unternehmens an. Diese Finanzierungsform eignet sich daher besonders für bonitätsstarke Firmen, die als Teil einer langen Lieferkette besonders stark von guter Zahlungsreputation, pünktlicher Lieferung und bestmöglichen Lieferkonditionen und Skonti abhängig sind.


Factoring vs. Reverse Factoring

Bis auf wenige Gemeinsamkeiten in punkto Verbesserung der Liquidität verlaufen beide Finanzierungsvarianten unterschiedlich. Die Besonderheiten und Unterschiede finden Sie in der nachfolgenden Tabelle Factoring vs. Reverse Factoring.

FactoringReverse Factoring
Wird vom Unternehmen angestoßen, um gewerbliche Forderungen schneller zu Geld zu machen.Unternehmen initiiert es, um seine Lieferschulden schneller unter Nutzung von Skontovorteilen zu begleichen.
Meist gehen alle Kundenforderungen des Unternehmens auf den Factor über, der auch das Debitorenmanagement  übernimmt.Nur bestimmte Lieferverbindlichkeiten gegenüber ausgewählten Lieferanten werden vom Factor vorfinanziert, der in die Position des Lieferanten tritt und neuer Gläubiger wird. Zahlungsmanagement ist kein Thema.
Vertrag zwischen Unternehmen und Factor, Kunden bzw. Abnehmer sind nicht involviert.3 Vertragsparteien: Unternehmen, Factor und Lieferant, von welchem die Forderung durch den Factor übernommen wird.
Durch die Streuung der Bonitäten einer größeren Anzahl an Kundenforderungen, wird auch das Kreditausfallsrisiko besser diversifiziert. Neben Ihrer  Bonität spielt auch die Güte Ihres Forderungsportfolios eine ganz zentrale Rolle.Die Finanzierung ist abhängig von der Bonität Ihres Unternehmens, was für den Factor ein konzentrierteres Risiko darstellt; die Bonität der Lieferanten selbst ist nicht wirklich relevant, während mögliche Rechte oder Sicherheiten aus der Lieferbeziehung von Bedeutung sein können.

Unsere Corporate Finance-Experten beraten Sie gerne bei Ihrer Projekt- oder Gewerbefinanzierung.

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